Die Haushaltskürzungen des Jahres 1996
haben das Tübinger Bibliothekssystem
empfindlich getroffen. Nicht nur die UB
mußte ab Ende des Sommersemesters auf
neue Bestellungen verzichten, weil die
disponierbaren Mittel verbraucht waren,
sondern auch viele Institutsbibliotheken.
Wenn dieses TBI-Heft erscheint, werden die
Negativ-Szenarien von einer Kürzung bei den
Sachmitteln von 50 % (bezogen auf den
Haushalt von 1995) sich wahrscheinlich
bestätigt haben oder übertroffen worden sein. In solchen Zeiten werden selbstverständlich wieder Stimmen laut, daß ein zweischichtiges Bibliothekssystem im Grunde ein Luxus sei und man es sich nicht leisten könne. Wie dem auch sei, eine Abschaffung und Umgestaltung steht nicht zur Debatte, da einer solchen Maßnahme eben wieder Kostengründe entgegenstehen. Von praktischen Gesichtspunkten ganz zu schweigen: Ich höre immer wieder von Mitgliedern unseres Instituts, die an Universitäten mit zentraler Literaturversorgung wechseln, daß sie sich nach Tübingen zurücksehnen, wo man meist nur mal schnell in die Bibliothek gehen und sich die Literatur herausziehen kann, die man braucht. Also hat der Aufwand, den wir hier treiben, durchaus seine Vorteile.
Was aber meiner Meinung nach in solch knappen Zeiten praktiziert werden sollte, ist ein größeres Maß an Abstimmung bei der Literaturerwerbung! Alle Institutsbibliotheken haben Kerngebiete, in denen die Beschaffung von Monographien unabdingbar ist, selbst wenn die UB denselben Titel für ihren Bestand erwirbt. Daneben existieren aber Randgebiete, in denen eine Beschaffung nicht unabdingbar ist, wenn sich die Monographie sonstwo in Tübingen befindet. Mein Vorschlag ist daher, - eine größere Abstimmung zwischen UB-Fachreferenten und Institutsbibliotheken zu gewährleisten und - zwischen Institutsbibliotheken, die benachbarte Gebiete betreuen (also vor allem Institutsbibliotheken innerhalb einer Fakultät) eine größere Kommunikation herzustellen.
Wollte man dies obligatorisch machen, müßte ein erheblicher bürokratischer Koordinationsaufwand geleistet werden. Vielleicht ist es sinnvoller, auf einer niedrigeren Ebene freiwillig bereits jetzt zu beginnen? Zu denken wäre hier an einen routinemäßigen Check in den Katalogen der UB und der Fakultäts- bzw. Institutsbibliotheken vor der Bestellung einer Monographie, an eine intensivere Kommunikation zwischen Fachreferenten und Institutsbibliotheken sowie zwischen den einzelnen Bibliotheken, z.B. durch einen erweiterten Austausch von Neuerwerbungslisten. Hier kann auch die EDV zunehmend den Arbeitsaufwand erleichtern. Wer bereits an das Datennetz angeschlossen ist, kann dem Fachreferenten der UB und "benachbarten" Bibliotheken die eigenen Neuerwerbungslisten per e-mail zukommen lassen (das ist auch innerhalb eines Instituts zu empfehlen, um Papier und Kopieraufwand zu vermeiden) und kann seine Bestellungen an den Katalogen der UB, der Fakultätsbibliotheken und der Institutsbibiotheken checken. Wer nicht vernetzt ist, kann dennoch Neuerwerbungslisten in Papier- oder Dateiform (auf Diskette) verteilen und Bestellungen durch Hiwis an den UB-EDV-Geräten abchecken lassen. Wenn man dabei auf Doppelbestellungen stößt, kann man die Bestellung an den/die Besteller/in zurückgeben mit der Information, daß das Werk bereits von der UB oder von einer anderen Bibliothek beschafft wurde bzw. wird und daran die Frage anknüpfen, ob die Beschaffung unabdingbar ist. Sicher, die Professoren sind oft eigen in der Beurteilung dessen, was unabdingbar ist und was nicht. Dennoch werden auch sie in Zeiten knapper Mittel eher motiviert sein, zu überlegen, ob nicht doch statt eines Tübinger Doppelexemplars eine andere Monographie bestellt wird, weil jede nicht getätigte Bestellung ihren Handlungsspielraum bezüglich der Monographienbeschaffung erweitert.
Gedacht werden sollte auch an eine weitergehende Abstimmung bei den Zeitschriften. Bisher ist nur die Abstimmung bei neuen Abonnements vorgeschrieben, nicht jedoch bei der Abbestellung. Hier wurde bei der letzten Dienstbesprechung am 25. September folgendes Vorgehen empfohlen: - bereits vor den Überlegungen, welche Abonnements gekündigt werden sollen, sollte mittels des Tübinger Zeitschriften-Verzeichnisses (TZV) eruiert werden, ob noch andere Bibliotheken den Titel führen. Wenn ja, dann sollte auf der Ebene der Institutsbibliotheken darüber kommuniziert werden, ob auch die andere Bibliothek eine Kündigung des Titels plant und ob nicht eine Bibliothek das Abonnement weiterführen kann. - ebenso sollte mit dem Fachreferenten/der Fachreferentin der UB Kontakt aufgenommen werden, falls die UB denselben Titel hält. - nach Beschlußfassung, welche Abonnements gekündigt werden müssen, sollten die Titel an die UB, Herrn Dr. Werkmeister, gemeldet werden. (Aber auch an das TZV, versteht sich!). Es wird sich zwar nicht realisieren lassen, daß die Entscheidungsträger in den Instituten bzw. in der UB in jedem Fall von einer Kündigung absehen, wenn bekannt ist, daß das eigene Institut oder die UB sozusagen den "Letztbesitz" des Abonnements hat (in manchen Fällen ist dies auch nicht sinnvoll); wichtiger ist, daß jede Information bei einer Entscheidungsfindung sinnvoll ist und potentiell zu anderen Ergebnissen führen kann. Wir sollten hier leisten, was wir können, da einerseits gerade im Bereich der Kündigung von doppelt und dreifach gehaltenen Zeitschriftenabonnements nachhaltige Effekte zum Einsparen erzielt werden können, andererseits aber durch unkoordinierte Kündigungen die Nutzung letztlich doch relevanter Titel erschwert wird. Oft wird es nicht vermieden werden können, daß Titel dann gar nicht mehr in Tübingen vorhanden sind, aber dennoch sollten wir alles tun, um im Vorfeld mehr Koordination zu leisten und das Möglichste zu tun, um Titel in Letztbesitz in Tübingen zu halten.
Bitte überlegen Sie sich daher, ob Sie nicht den Verteiler Ihrer Neuerwerbungslisten vergrößern und ob Sie nicht bei Abbestellungen von Zeitschriftenabonnements punktuell einen höheren Aufwand treiben und die UB bzw. andere Abonnenten kontaktieren. Es könnte sich für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Ihrer Institute als auch für die Studierenden lohnen.
Dr. Jürgen Plieninger |